Liebe Mitglieder unserer Gemeinde,
jeden Tag wieder starre ich besorgt auf die Zahlen - Infizierte, Gestorbene, wieder Genesene, in Deutschland,
in Europa (Italien!!), weltweit. Ich versuche informiert zu bleiben - wo wir gerade stehen, was erlaubt ist
und was nicht mehr. Noch gibt es keine Ausgangssperren, aber die Bilder von Menschen in Parks und auf
belebten Plätzen lassen nichts Gutes erahnen: noch immer scheinen zu viele Menschen zu unbesorgt.
Der Abstand zwischen einzelnen Personen von mindestens 1,5m beim Einkaufen im Supermarkt ist schwer
einzuhalten. Ich denke an die rasante Entwicklung in der letzten Woche: Konfirmandenfreizeit abgesagt,
Elternabend einberufen, Konfirmation verschoben. Gottesdienst abgesagt. Gemeindehaus geschlossen.
Und die Beerdigungen: Ein großes Problem! Wie oft habe ich mit Angehörigen, Bestattungsunternehmen,
stellvertretendem Superintendenten (zufällig mein Mann), Küsterin und Organistin telefoniert, Empfehlungen der
Landeskirche auf www.evlka.de studiert. Immer kleiner wurde unser Spielraum, bis wir uns schließlich auf dem
Friedhof versammeln mussten und ich mit mulmigem Gefühl auch hier die viel zu vielen (unter Gesundheitsaspekten)
und doch viel zu wenigen (unter rein menschlichen Aspekten) Besucher*innen betrachtete. Wunderbar war der
spontane Einsatz einer kleinen Bläsergruppe bei beiden Trauerfeiern. Ich habe gesehen: Der Zusammenhalt ist groß,
auch der Wunsch zu helfen und das Beste aus dieser Situation zu machen. Natürlich müssen nun auch alle geplanten
Aktionen ausfallen, allen voran unsere Veranstaltungen in der Passionszeit und zu Ostern, Kinderbibeltag,
Signetverleihung, Festgottesdienste... Das ist in unserer Kirchengemeinde nicht anders als in der Kommune und im
ganzen Land, wo sich die kleinen Unternehmen große Sorgen machen und die medizinisch Beschäftigten an den
Rand ihrer Kräfte kommen. Unser gewohntes und normales Leben weicht der Verunsicherung und der Sorge.
Und die Zahlen steigen noch. Inzwischen hat das Virus auch Bekannte und Verwandte erreicht. Eine lähmende
Situation.
In alttestamentlichen zeiten wäre dies der Augenblick, wo ein Prophet auf den Plan tritt und verkündet:
"So spricht Gott der Herr: Eure Übertretungen, eure Gottlosigkeit, eure Selbstbezogenheit haben diese Lage
heraufbeschworen. Tut Buße und kehrt zu mir zurück!" Vielleicht durchaus ein Denkanstoß auch für unsere Zeit.
Aber wir dürfen die neutestamentliche Botschaft nicht vergessen, die ganz anders klingt: Gott hat sich über uns
erbarmt. Weil wir es nicht selber schaffen, hat er sich uns zugewendet und seine Hand nach uns ausgestreckt:
um zu heilen, zu trösten und zu versöhnen. Geschehen vor rund 2000 Jahren durch die Geburt Jesu. Durch das
Leben eines Menschen unter anderen, der sich unbeirrbar hineinbegeben hat in das Leiden seiner Zeit.
Und gezeigt hat: Es gibt einen Weg hindurch, weil Gott uns die Treue hält. Es gibt ein Leben, das größer ist
als der Tod. Und eine Liebe, die größer ist als alles leiden und alle Angst. Geschehen zu Ostern vor rund 2000 Jahren.
Und deshalb gilt es jetzt nicht nur, sich an die Brust zu schlagen und zu rufen: Wir elenden Menschen haben alles so
weit gebracht! - sondern auf Gottes ausgestreckte Hand zu schauen und tief durchzuatmen. Wir schaffen das.
Christus ist genau hier, wo wir den Mut nicht sinken lassen und die Hoffnung nicht aufgeben. Wir werden leben -
vielleicht anders als zuvor. Aber wir werden leben, und es wird der Tag kommen, an dem wir Gott für seine
Bewahrung danken und ihn preisen werden.
Wo immer wir dann auch sind.
Der Friede Gottes bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus
Eure/ Ihre Ulrike Sundermann