Die Backemoorer Mühlengeschichte
Nach fast 50 jährigem Streit mit den benachbarten Müllern von Leer, Collinghorst und Rhaude, begann man 1798 mit dem Bau der ersten Mühle (Pelde-Windmühle). Die benachbarten Müller befürchteten Umsatzeinbußen und wollten den Bau der Mühle in Backemoor verhindern. Erbauer der ersten Mühle war der Müller Poppe Janssen aus Esens.

1901 stockte man die vorhandene Windmühle von einem eingeschossigen Mauerwerk auf ein drei geschossiges Mauerwerk auf. Die Mühle war zuvor am 14. September 1900 im Pocker´schem Wirtshaus zu Backemoor öffentlich meistbietend von Johannes Müller für 33.500 Mark gekauft worden. Im Jahre 1929 wurde der Mühlenbetrieb von seinem Sohn Rolf Fleßner Müller übernommen und bis im Jahr 1962 betrieben. Danach wurde der Betrieb in eine OHG umgewandelt und von den Inhabern Rolf Fleßner Müller und dessen Sohn Annäus Müller bis ins Jahr 1980 geführt. Ab 1980 war der Müllermeister Annäus alleiniger Inhaber der Firma „Johannes Müller“.
Als das Oberledingerland in den letzten Kriegstagen des Jahres 1945 zum Frontgebiet wurde, sank am 26. April auch die stolze Backemoorer Windmühle in Schutt und Asche. Deutsche Artillerie, die in dem hohen Gebäude wohl einen strategisch-wichtigen Punkt sah, schoss die Mühle von der Logaer Fähre aus in direktem Beschuss in Brand. Spuren aus Kriegstagen sind noch heute im Mauerwerk der Mühle zu erkennen. Schon bald nach Kriegsende ging es trotz der Zwangsbewirtschaftung an den Wiederaufbaus der zerstörten Mühle. Im Oktober 1947 konnte das Richtfest für die sechseckige, hölzerne Konstruktion des Mühlenoberteils gefeiert werden. Am 14. Dezember 1949 drehten sich dann wieder die Mühlenflügel.


In der jüngeren Geschichte der Backemoorer Mühle gab es manches Ereignis, dass Aufsehen erregte und in der Bevölkerung lange zeit Gesprächsthema war. So zerbrach innerhalb von nur wenigen Jahren zweimal das Flügelkreuz. Das erste Mal geschah dies 1958. Unmittelbar nach dem Osterfest knickte plötzlich einer der vier Flügel ab. Das beim Wiederaufbau verwendete „Nachkriegsmaterial“ war den Anforderungen nicht gewachsen. Fast ein Jahr lang stand die Mühle danach wie ein Torso da. Bis sich Anfang 1959 die Flügel wieder im Wind drehten. Aber 14 Jahre später wiederholte sich das gleiche Unglück. Im März 1973 zerbrach das Flügelkreuz der Mühle aus unerklärlichen Gründen erneut.
Am 17. Juli 1975 ging die lange Geschichte der Backemoorer Mühle in einen Flammensturm vorerst zu Ende. Während der Renovierungsarbeiten brach plötzlich ein Brand aus, der die stolze Mühle in Minutenschnelle in eine weithin sichtbare Fackel verwandelte. Alle Bemühungen der Feuerwehren aus dem Oberledingerland, das stolze Bauwerk vor der Vernichtung zu retten, blieben erfolglos. Von einer der schönsten Windmühlen im südlichen Ostfriesland blieben nur rauchende Trümmer. Danach wurde der gesamt Mühlenbetrieb nach Leer verlagert, wo zuvor schon seit 1973 ein Teil des Betriebes angesiedelt worden war. Der Firmensitz blieb jedoch in Backemoor.
1991 gründete sich der Mühlenverein Backemoor mit dem Ziel, den Wiederaufbau der zerstörten Windmühle voranzutreiben. Mit Hilfe des Vereins und des Beschäftigungspools des Landkreises wurde in den Jahren 1990 und 2000 der Einsturz des betagten Gemäuers verhindert und das Mauerwerk des Mühlenstumpfes saniert. Ferner wurde von Mitgliedern des Vereins in Eigenleistung neue Stahlträger, Decken und Böden eingebaut bzw. hergestellt. Ebenso wurden im Jahr 2001 wichtige Bauteile einer abgebauten Mühle aus Aschendorf für Wiederverwendungszwecke von Vereinsmitgliedern nach Backemoor geholt.
Der Wiederaufbau
Der Wiederaufbau der historischen Mühle in Backemoor war ein beeindruckendes Vorhaben, das in mehreren Jahren mit viel Engagement und Fachwissen voranschritt. Dabei wurden die Arbeiten in verschiedenen Bauabschnitten sorgfältig geplant und umgesetzt, um das Bauwerk wiederherzustellen.
Video zum Wiederaufbau Teil 1 – Luftaufnahmen
Im Sommer 2016 begann alles mit der Montage der Mühlengalerie. Die niederländische Mühlenbaufirma Groot Wesseldijk schraubte die Holzbohlen auf einem Stahlgestell zusammen. Das Seitengeländer wurde ebenfalls angebracht und gestrichen. Ziel war es, die Galerie später mit Hilfe eines Krans auf den Mühlenstumpf zu heben, um den oberen Teil der Mühle begehbar und umrundbar zu machen. Während die Vorbereitungen liefen, musste der Mühlenstumpf noch entsprechend vorbereitet werden.
Der große Moment kam am 13. September 2016: Ein Spezial-Kran der Firma Ulferts wurde auf der Backemoorer Straße positioniert. Während die Straße halbseitig gesperrt wurde, versammelten sich zahlreiche Schaulustige und Medienvertreter, um dieses besondere Ereignis mitzuerleben. Mit größter Sorgfalt hob der Kranführer die rund 8 Tonnen schwere Galerie, die zuvor mit einem Eisengestell verstärkt worden war, langsam in die Höhe. Über dem Mühlenstumpf schwebend, wurde die Galerie vorsichtig auf die Verankerung im 11 Meter hohen Mauerwerk gesetzt – ein bedeutender Meilenstein im Wiederaufbau. Die Freude war groß, als die Galerie nach mehr als 40 Jahren wieder an ihrem Platz war. Die ersten Rundgänge auf der neuen Galerie wurden vom damligen Mühlenbesitzer Anäus Müller und dem Team der niederländischen Mühlenbaufirma bereits genutzt, um die Fortschritte zu feiern.
Video zum Wiederaufbau Teil 2 – Die Galerie
Kurz darauf begann die nächste Bauphase: Die Anlieferung der Holzteile für den sogenannten Achtkant. Dieses ca. 8 Meter hohe Bauteil wurde auch am Boden neben dem Mühlengebäude vollständig zusammengebaut. Es sollte später auf die bereits fertiggestellte Galerie gehoben werden. Die Arbeiten am Achtkant starteten mit dem Einsatz eines Schwerlastkrans, um die langen und schweren Holzteile an ihren Platz zu heben. Nach einigen Wochen intensiver Arbeit wurde das Holzstück schließlich fertiggestellt.
Am Dienstag, den 20. Dezember 2016, war es dann endlich soweit: Der Achtkant, der in den letzten Monaten neben dem Mühlengebäude von dem niederländischen Mühlenbauer Groot Wesseldijk zusammengebaut wurde, wurde mit Hilfe eines Krans auf den Mühlenstumpf gehoben. Der hölzerne Riese misst etwa 9,5 Meter in der Höhe und 8 Meter in der Breite. Das Gewicht von rund 25 Tonnen wurde mit großer Präzision auf die Mauern gesetzt. Zahlreiche Schaulustige verfolgten das Spektakel, während für sie kostenlos Kaffee, Glühwein und Bratwurst organisiert wurden. Nach nur wenigen Minuten war der Achtkant sicher auf dem Mühlenstumpf platziert, und das provisorische Regendach wurde wieder aufgesetzt, um die Öffnung bis zur endgültigen Fertigstellung im Frühjahr zu schützen.
Video zum Mühlenaufbau Teil 3 – Der Achtkant
Im nächsten Schritt wurde der Achtkant vollständig eingedeckt. Die Firma „Dächer von Schnell GmbH“ aus Emden war mit zwei Facharbeitern damit beschäftigt, die insgesamt 5.775 Rathscheck-Schieferplatten zu befestigen. Diese Platten, jeweils 50×25 cm groß, wurden in der sogenannten „Rechteck-Doppeldeckung“ angebracht, einer äußerst robusten und langlebigen Dachdeckung. Um eine gleichmäßige Lastverteilung zu gewährleisten, wurde das Gerüst während der Bauzeit viermal umgebaut.
Der nächste große Bauabschnitt war danach die Mühlenkappe. Seit Anfang Oktober 2019 arbeitete die niederländische Firma Wesseldijk aus Lochem daran, die Kappe des Galerieholländers, aus dem Jahr 1798, zusammenzusetzen. Die bereits vor fast zwei Jahren fertiggestellten Einzelteile wurden auf dem Gelände neben der Mühle montiert. Nach dem plötzlichen Stillstand der Arbeiten im Januar 2017, bedingt durch den Tod des früheren Eigentümers Annäus Müller, hat die Gemeinde Rhauderfehn das Ensemble von der Erbengemeinschaft gekauft. Gemeinsam wurde der Abschluss des Wiederaufbaus angestrebt, wobei die äußere Erscheinung der Mühle wieder funktionstüchtig sein wird. Der Innenausbau sollte zu einem späteren Zeitraum erfolgen.
Am 10. Dezember 2019 wurde auf der Backemoorer Straße ein großer Kran der Firma Ulferts aus Moormerland positioniert, um die Mühlenkappe zu heben. Zuvor wurden ein großes Zahnrad, auch Bunkel genannt, sowie die gut sieben Meter lange Königswelle in das Innere des Achtkants gehoben. Schließlich wurde die Kappe langsam in die Luft gehoben und millimetergenau auf den Mühlenstumpf gesetzt. Die Kappe, größtenteils aus Stahl gefertigt und etwa 16 Tonnen schwer, wurde mit einem Stellmotor ausgestattet, um sie später elektrisch in den Wind zu stellen – ganz im Sinne des verstorbenen Eigentümers Müller, der sich eine Steuerung per Tablet wünschte.
Video zum Wiederaufbau der Mühle Teil 4 – Die Kappe
Der letzte Bauabschnitt betrifft die Flügel. Im Juni 2020 erhielt die Backemoorer Mühle nach 45 Jahren ihre Flügel zurück, wodurch das äußere Erscheinungsbild wieder vollständig ist. Seit Juli 1975 war die Mühle ohne Galerie, Achtkant, Kappe, Flügel und Steert gewesen. Zuerst montierte die niederländische Mühlenbaufirma den neuen Steert, eine lange Metallbalkenkonstruktion, mit der sich die Mühle in den Wind drehen lässt – zumindest theoretisch. Für diese Funktion ist auch eine Vorrichtung in der Mühlenkappe installiert, die sich später mit einem Stellmotor steuern ließe. Das entspricht dem Wunsch des verstorbenen Mühlenbesitzers Müller, der sich eine Konstruktion wünschte, mit der sich die Mühlenkappe per Tablet-PC in den Wind stellen lässt. Ob dieses Projekt tatsächlich umgesetzt werden kann, ist jedoch noch ungewiss.
Auch die neuen Flügel sind eine Spezialanfertigung und deutschlandweit einzigartig. Sie wurden geplant von Annäus Müller und dem Mühlenbauer aus den Niederlanden. „Sie sind effizienter als Flügelsysteme mit Jalousieklappen und trotzen besser dem Sturm“, erklärt Jos Geverink vom Mühlenbau-Team. Annäus Müller hatte sich im fortgeschrittenen Alter beim Windmühlen-Hersteller Enercon informiert und daraufhin die Idee vorangetrieben, eine Mühle zur Stromproduktion umzubauen. Da es sich um eine Sonderanfertigung handelt, die mit Mehrkosten verbunden war und ursprünglich nicht im Mühlenbauvertrag vorgesehen war, wurden diese Kosten durch Spenden gedeckt, sodass Müllers Wunsch realisiert werden konnte.